Kunst statt Facebook-Ads

Genervt von Werbung auf Social Media? Der Ad Blocker von Gretchen Andrew tauscht sie gegen Kunst

©Gretchen Andrew/Courtesy Galerie Falko Alexander

Vom Google-Suchergebnis bis zur Facebook-Anzeige: Was wir im Internet finden, wird davon beeinflusst, wie wir uns durch selbiges bewegen, auf welche Webseiten wir gehen, wessen Posts wir kommentieren, bei welchen Ads wir hängenbleiben. Wer sich davon manipuliert fühlt, wird sich über die Strategie von Gretchen Andrew gleich doppelt freuen: Die Künstlerin hat nicht nur ein Angebot geschaffen, dass Ads durch Art ersetzt, sie zeigt auch, wie man durch Kenntnis der Methoden zur Sichtbarmachung von Inhalten Selbstermächtigung erlangen kann.

Wer eines der „Affirmation Ads“ von Andrew in ihrem Online-Shop erwirbt, erhält für die geforderten 0,99US$ den Austausch von Facebook-Werbung durch das ausgewählte Motiv, möglich gemacht durch Manipulation des Facebook-Tracking-Codes. Die US-Amerikanerin kennt sich aus, sie hat Informatik studiert und zwei Jahre bei Google gearbeitet, bevor sie Künstlerin wurde. Natürlich üben die Motive von Beauty-Produkten unter dem Titel „I Already Have Everything to be Beautiful Kritik an der Social-Media-Konsum-Falle – Social Media befördert den Drang danach, Produkte zu konsumieren, die von Social Media überhaupt erst hervorgerufene Defizite kompensieren sollen, zum Beispiel Beauty-Produkte oder chirurgische Dienstleistungen für den typischen Instagram-Filter-Look. Für arme Konsumopfer auf der Suche nach einer Streicheleinheit allerdings ist die Kunst von Andrew nicht seicht genug, oder vielmehr zu fordernd, denn sie entlarvt die Strategien, denen sich User vermeintlich ohnmächtig ausgesetzt sehen, im Glauben, Spielball von Big Tech oder Mediengiganten zu sein, und sie lädt dazu ein, Manipulation in Gegenmanipulation zu verwandeln.

In ihrer bekanntesten Aktion etwa nahm sich die Künstlerin, die für ihre Kunst den Begriff search engine art geprägt hat, die für eine breite Öffentlichkeit hochrelevante Frage nach dem „next American president“ vor – und tauschte entsprechende Suchergebnisse gegen Verweise auf ihre eigenen Inhalte. Für manche vielleicht Wasser auf die Fake-News-Mühlen (siehste, so einfach geht Medienmanipulation!), für andere ein mutmachendes Vorbild für die Macht, die eigene Geschichte zu erzählen, sich Gehör zu verschaffen und dem eigenen Verständnis davon Gewicht zu verleihen, was wichtig ist und was nicht.

Wer eine analoge Arbeit von Gretchen Andrew erwerben möchte: die „Affirmation Ads“ sind in Öl auf Leinwand (Andrew hat übrigens bei Billy Childish gelernt, was den Strong-Buy-Faktor dieser Position nicht unbedingt schmälert) zu sehen und erhältlich: „Everything I Need to be Beautiful – Affirmation Ads“, Galerie Falko Alexander, Köln, bis zum 11. Juni 2022

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