Hier steckt Tech im Gallery Weekend Berlin

Wer sich für technologiebasierte Kunst interessiert, wird im Programm der etablierten Galerien genauso fündig wie bei den Satelliten-Events. Eine subjektive Auswahl der besten Ausstellungen.

Installationsansicht “Infinite Screen” von Arotin & Serghei, Centre Pompidou Paris 2021. Courtesy and © the artists.

Auch wenn das Gallery Weekend in Berlin eher eine ganze Week oder zwei umfasst: kein Stress. Die Topausstellungen in den teilnehmenden Galerien sind noch mehrere Wochen zu sehen, so dass während des Events selber auch Zeit für Satelliten-Schauplätze bleibt. Die folgenden Empfehlungen gehören auf jeden Fall auf die Must-See-Liste.

Kunst und KI

Das von Architektin und Künstlerin Alina Mann initiierte Projekt RÄUME bespielt zwischennutzbare Flächen in interessanter Architektur mit umfassenden Gruppenausstellungen. Aktuell setzen sich in jenem als Atelierhaus bekannten Kreuzberger Gebäude, das vor kurzem wegen fristloser Kündigung der gesamten Bewohnerschaft mediale Aufmerksamkeit erhielt, über 30 Künstlerinnen und Künstler auf kritische Weise mit KI auseinander, wobei von Ablehnung bis Huldigung alles erlaubt ist. Interessanter Twist: viele der vertretenen Namen arbeiten eigentlich nicht technologiebasiert.

HumAin – I create therefore I am“, Paul-Lincke-Ufer 44a, bis 30. April 2023, Panel Talk am 28. April um 16 Uhr (Anmeldung hier)

Arotin & Serghei – Immersives im Kraftwerk

Seit über zehn Jahren zeigt das für seine großformatigen Screen-basierten Bildinstallationen bekannte Künstlerduo Arotin & Serghei seine immersive audiovisuelle Installation „Infinite Screen“ in wechselnden Räumen. Von der Venedig Biennale über die Ars Electronica bis zum Centre Pompidou ist das Werk dabei jedes Mal verändert und in-situ angepasst worden. Jüngste Station ist die imposante Halle des Kraftwerk Berlin, deren Dimensionen mit den expansiven Ausmaßen der Installation ein beeindruckendes Zusammenspiel ergeben dürften.

Infinite Screen“, Kraftwerk Berlin (Zutritt nur mit Ticket), 26.-30. April 2023, Eröffnung 26. April 19 Uhr

Das Niedliche in Onlinewelten

Das Internet ist voll von wirklich superniedlichem Zeug (Einhörner, süße Monster, tapsige Tier-Clips usw.), das sich bestens zur Ablenkung von der harschen Realität eignet. Welche Ambivalenzen in der Ästhetik des Niedlichen in Onlinewelten lauern, dazu versammelt diese Gruppenausstellung 21 tolle Positionen (u.a. Albrecht/Wilke, Arno Beck, Arvida Byström, Claudia Hart, ach, eigentlich alle super!).

The Cute Show”, Expanded.Art, 25. April – 14. Mai 2023

Kunst, Innovation und Weltenwandel

Auftakt zu einer Ausstellungsserie über den Status Quo von Kunst, Technologie, Innovation und den kulturellen und sozialen Bedingungen, die unser Verhältnis zum aktuellen Wandel unserer Lebenswelten prägen. Tolle Künstlerliste mit einer Mischung aus rund 30 jungen und etablierten Positionen, kuratiert in einem neuen Raum von einem neuen Projekt namens AnexPTG der Kunstschaffenden At Huth und Susann Rezniczek (gern deren hier verlinkte IG-Profile auschecken, lohnt sich!).

Present Perfect Progressive“, Hermetika Art Space, 30. April -14. Mai, Eröffnung 30. April 15-21 Uhr

Anne Duk Hee Jordan, “Der Wurm”, 2021. Courtesy alexander levy, Berlin.

Alexandra Bircken bei BQ: Vielleicht befeuert die bei dieser Künstlerin zu verzeichnende Virtuosität im Umgang mit jedem Material und jeder Technik den Drang zur Verbindung von Unterschiedlichem und Gegensätzlichem, organischer und anorganischer Materie, Innen und Außen, Mensch und Maschine – und das alles verwoben mit Bezügen zu aktuellem Geschehen, manchmal sogar buchstäblich.

Björn Dahlem bei Guido Baudach: Eine Art bodenständiger Weltraumreisender, erschafft Dahlem auf sehr analoge Weise Skulpturen von virtueller Anmutung, die mit einer Prise staunender Neugier und Humor auf die geheimnisvolle Schönheit und Undurchdringlichkeit des Universums verweisen, ohne wissenschaftliche Perspektiven zu negieren.

Anne Duk Hee Jordan bei alexander levy: Vielleicht wird der Mensch verschwinden, in einer anderen Spezies aufgehen oder sich doch noch an der Spitze der Evolution behaupten – die Künstlerin schafft einen fantastischen Möglichkeitsraum für verschiedene Szenarien und untersucht darin die ökologischen und sozialen Beziehungen zwischen Organismen und die Verankerung des Menschen zwischen Natur und Technologie.

Cao Fei bei Sprüth Magers: Als Wanderin zwischen haptischen und virtuellen Räumen ist Cao Fei eine Pionierin. Die Ausstellung schlägt einen Bogen von den ersten virtuellen Spuren der Künstlerin in Second Life mit ihrem ersten Avatar namens „China Tracy“ bis zu dokumentarischen Ansätzen zur Erfassung des menschlichen Blicks auf virtuelle Räume (und besonders auf das, was vage unter dem Begriff „Metaverse“ läuft).

Hito Steyerl bei Esther Schipper: Eine live-generierte Computeranimation, Screens an den Wänden, Grow-LEDs und Pflanzen in Glaskugeln erzeugen eine hoch technologisierte und zugleich höhlenartige Anmutung – der Titel „Contemporary Cave Art“ verweist darauf, dass selbst die innovativste Technologie archaischen Ursprungs ist. Der Verkauf der Pflanzensphären als Bestandteile der Installation geht als Spende an die Erdbebenopfer in Türkei und Syrien.

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