Eine Überblicksausstellung in der Kunsthalle Zürich erklärt die „neue“ Kunst zwischen NFT und Web3, ohne in die Didaktikfalle zu tappen.
In der Welt der ernsthaften Kunst gibt es zwei Kategorien von Ausstellungen: gute und didaktische. Erstere zeigen (natürlich gute) Kunst in einem schlüssigen kuratorischen Beziehungsrahmen, letztere gehen in der Regel davon aus, dass man bei einem Publikum bei Null anfangen und alles erklären muss und etwaige ungelernte Augen bei der Werkbetrachtung auf keinen Fall sich selbst überlassen kann, weil Anschauen allein nämlich nicht reicht, sondern nur in Zusammenhang mit textbasierter Informationsaufnahme einen Lerneffekt erzielt. Die Ausstellung, die sich aktuell in der Kunsthalle Zürich der Kunst im Kontext von Blockchain, NFT und Web3 widmet, ist keiner der beiden Kategorien zuzuordnen: „DYOR“ ist zwar didaktisch im Bestreben, ein virulentes Phänomen der aktuellen Kunstproduktion zu beleuchten und einzuordnen, aber trotzdem gut, weil sie zulässt, dass Erklären da aufhört, wo Erfahren anfängt.
„Do your own research”, kurz DYOR, ist ein geflügeltes Wort in der Krypto-Szene, genauer, der Krypto-Investment-Szene, und meint: Glaube nicht einfach das, was dir andere erzählen, sondern informiere dich eigenständig und komme zu deinem eigenen Urteil. Bei Investitionen sowieso und auch sonst ein sehr empfehlenswerter Rat, aber auch einer, der impliziert, dass es in dieser Welt an Vertrauen und einordnenden Instanzen fehlt. An letzteren wiederum ist die Kunstwelt reich – KuratorInnen, KritikerInnen und Kunstmarkt-Reports gehören dazu –, und insofern ein Widerspruch, mit welchem Nachdruck Newcomern geraten wird, erst einmal so viel Kunst zu schauen wie möglich, ihren eigenen Geschmack auszubilden und bloß nicht einfach irgendwas zu kaufen oder gar auf Art Consultants zu hören. Kunstvermittlung ist oft nicht frei von eigenen Interessen oder Eitelkeit, und sie schiebt sich mit massiver Präsenz zwischen Werk und Betrachter, und das macht die Sache gerade für Anfänger nicht gerade einfacher.
Dass es im Fall von „DYOR“ gelungen zu sein scheint, dem Publikum das Handwerkzeug für den Zugang zum Ausstellungsgegenstand zu übermitteln, ohne didaktisch zu wirken, könnte auch damit zu tun haben, dass die Kuratorin, Nina Roehrs, auch als Galeristin tätig ist (Roehrs & Boetsch) und als solche wahrscheinlich nicht nur DYOR, sondern auch LBD (learning by doing) verbunden ist. Zwar gibt es klassische didaktische Mittel wie eine Timeline oder ein Glossar (von Moxarra Gonzales und Autorin Adina Glickstein (deren Texte zu Internetkultur und Kryptokunst für Spike Magazine Insidern wie Neulingen ans Herz gelegt seien), aber dafür sieht etwa die Wand zu Kenny Schachter so aus, wie sie aussieht: ein fröhliches Bilder- und Begriffsgewusel, eher wie ein persönliches Portrait, ein Blick in den Kopf des konfliktfreudigen Kunstweltkommentators und Erfinders des „NFTism“, und es gibt einiges zum Anfassen und Herumspielen, zum Beispiel eine VR-Arbeit von Manuel Rossner oder die Möglichkeit, mit „Play Record Mint“ ein eigenes NFT zu minten oder mit „A Slice of The Pie“, einem interaktiven NFT-Projekt von Silvio Lorusso und Sebastian Schmieg, sogar mit einem eigenen NFT Teil der Ausstellung zu werden.
Der Ausstellungstext sagt über den Ausstellungsgegenstand von „DYOR“: „Es handelt sich […] um ein extrem vitales, junges, dynamisches, widersprüchliches, faszinierendes, problematisches, kreatives, kritisches und kritisiertes Gebiet, über das viele mehr wissen wollen und von dem sich viele angezogen fühlen. Der Hunger ist da, das Wissen fehlt vielen.“ Wer seinen Wissenshunger stillen will, weiß jetzt, wo.
„DYOR“, Kunsthalle Zürich, noch bis 15. Januar 2023