Tech-Tipps zum Gallery Weekend

Wer sich für technologiebasierte Kunst interessiert, wird während des Berliner Gallery Weekend bei diesen beteiligten Galerien und weiteren Ausstellungsprojekten fündig.

Cory Arcangel, „Let’s Play Majerus G3“, 2024-25.

Auch wenn nach wie vor nur wenige Berliner Galerien einen Schwerpunkt auf technologiebasierte Kunst legen, beim Gallery Weekend wird man dank diverser Satellitenaktionen und Ausstellungen in Projekträumen trotzdem vielerorts fündig. Hier eine Auswahl in Reihenfolge der Eröffnungen.

Aus dem Internet ins Berlin

Das Kuratorinnenkollektiv Second-Guess (Anika Meier und Margaret Murphy) versammelt prägende Positionen digitalen Kunstschaffens mit analoger Ausformung zum Thema Selbstdarstellung und Identitätsfindung unter dem Einfluss von Technologien und Social Media. Die internationale Künstlerliste umfasst so bekannte Namen wie Addie Wagenknecht, Leah Schrager, kennedy+swan, Charlie Stein oder UBERMORGEN, zur Eröffnung wird’s bestimmt bumsvoll. „Virtually Yours“, Schlachter 151, Eröffnung 30. April 18-22 Uhr

Wollt ihr die totale Digitalisierung?

In Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden und einem Web3-Reseacher hat Anna Ehrenstein ein Szenario entworfen, das zwischen unterhaltsamer Science-Fiction und dystopischer Zukunftsvision oszillierend den unguten Folgen von Technikgläubigkeit für das Individuum nachgeht, von totaler Überwachung bis zum Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe. Kritische Inhalte, übermittelt in einer technomythologisch lockenden Ästhetik. Anna Ehrenstein, „Cripto Sirenas“, OFFICE IMPART, Eröffnung 30. April 2025, 18-21 Uhr

Was ist Realität?

Die dreijährige Beschäftigung der Künstlerin Bonnie Camplin mit dieser fundamentalen Frage mündete zwar nicht in technologiebasierte Kunst, aber in jede Menge hilfreiches Wissen für den Umgang mit der Zukunft, z.B. über Science Fiction als Helfer bei der Suche nach Wahrheit, über plasmatische und kristalline Zustände von Realität und ganz grundsätzlich den Zusammenhang von Zeit, Raum und Bewusstsein. Bonnie Camplin & The Beat Messenger, „The Holographic Universe”, Ebensperger, Eröffnung 2. Mai 2025, 18-21 Uhr

Rivalisierende 3D-Bilder

Unter binokularer Rivalität versteht man ein Phänomen, bei dem beide Augen jeweils ein anderes Bild sehen und dieses nicht zu einem einzigen zusammenbringen können. Die erstmals in Deutschland gezeigte stereometrische Filmarbeit (die erste dieser Art) namens „Retinal Rivalry“ von Cyprien Gaillard nutzt nicht nur dieses Phänomen zur Desorientierung seines Publikums, sondern auch zwischen Betörung und Verstörung schwingende Bilder, die eine Art Reise durch Deutschland zeigen, in fortwährend wechselnden Perspektiven, Orten, Situationen. Cyprien Gaillard, „Retinal Rivalry“, Sprüth Magers, Eröffnung 2. Mai 2025, 18-21 Uhr

Repositionierung an der Clubwand

In manchen Kreisen gilt Jan Robert Leegte schon jetzt als Legende, umso toller, dass seine kürzlich im Studio IIII (Berliner Club für Kunstaffine mit 270-Grad-Videobeschallung) präsentierte Videoinstallation „Repositions“ zum Gallery Weekend noch einmal gezeigt wird. Achtung, in der Betrachtung der sanften Bewegungen sich überlagernder minimalistischer Formen zwischen Zwei- und Dreidimensionalität kann man sich durchaus eins, zwei Stündchen verlieren. Jan Robert Leegte, „Repositions“, Studio IIII, 2. Mai, 16-19 Uhr

Natur, die aus dem Bildschirm kam

Was für ein Naturverständnis hat man, wenn man die ersten Bäume auf dem Bildschirm, die ersten Blumen aus Plastik und die ersten Landschaften künstlich angelegt erlebt hat? Die Neuberlinerin Hua Wang macht einen wuchtigen Aufschlag in der Stadt mit einer Art Renaturierung ihrer eigenen Kindheit in einer hochtechnologisierten chinesischen Stadt, in Form einer tausende Jahre alten Baumlandschaft, die das Verhältnis von Mensch und Natur von den Ursprüngen bis ins technologisierte Heute beleuchtet – und die natürlich nicht nur aus Baum besteht… Hua Wang, „Hua’s Gigantic House”, Lottumstr. 14, 3. Mai, 14-21.30 Uhr

Spielen wir Michel Majerus!

Seit Jahren beschäftigt sich Cory Arcangel mit dem Werk von Michel Majerus, und das zum Teil auf einzigartige Weise. „Let’s Play Majerus G3“ heißt eine Serie von auf YouTube gespeicherten Video-Sessions, in denen Arcangel durch den Computer des 2002 verstorbenen Majerus führt und anhand von Daten und Strukturen dessen Arbeitsweise näherbringt. Aus Anlass des Gallery Weekends gibt es im Majerus Estate eine Live-Session mit anschließendem Gespräch mit Nadim Samman (Direktor Autotelic Foundation). Cory Arcangel, „Let’s Play Majerus G3 LIVE”, Michel Majerus Estate, 3. Mai, 12 Uhr (ohne Anmeldung, first come, first serve)

Ein letztes Mal mit Quanten tanzen

Feiert mit Ende des Gallery Weekend Finissage: die vielbeachtete Ausstellung von Laure Provoust zum Thema Quantenmechanik für die LAS Art Foundation im Kraftwerk Berlin. Zwar ist die Ausstellung eher als sinnlich-assoziative Auseinandersetzung angelegt und hat eine weitaus geringere technologische Anmutung als man angesichts des Themas erwarten würde, dafür entführt die atmosphärische Bespielung des erhabenen Industriedenkmals in ein elegisch-erhabenes Zukunftsgefühl. Laure Prouvoust, „We Felt A Star Dying”, Kraftwerk, bis 4. Mai 2025

Wieder Sellerie zum Weekend!

Hat nicht spezifisch mit Kunst und Tech zu tun, verdient aber einen empfehlenden Hinweis: das Sellerie Weekend verdankt zwar seinen ironisch verweisenden Namen dem gleichzeitig stattfindenden Gallery Weekend, legt den Schwerpunkt aber auf Projekträume statt Galerien – und beweist, dass es von ersteren mindestens so viele gibt wie von letzteren, mit einem unglaublich vielschichtigen Programm in teilweise äußerst interessanten und, da nur temporär genutzt, normalerweise nicht zugänglichen Gebäuden. Sellerie Weekend, 100 Räume, 2.-4. Mai, Eröffnungen ab 30. April 2025

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